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Sonntag, 17. Juni 2007
Kapitel III - Vorrausahnungen
Lautes Pferdegewieher ertönte und Sandreel schreckte aus ihrem tiefen Schlaf auf. Ihre Augenlieder flatterten, als sie diese zaghaft öffnete. Ein eisiger Windhauch schlug ihr entgegen und ließ sie frösteln. Wo bin ich? Verschlafen versuchte sie sich zu drehen, doch sie merkte, dass sie irgendwo festgebunden war. „Wo bin ich?“ Verzweifelt kämpfte Sandreel gegen das Pfeifen des Windes an. Sofort hörte die regelmäßige Bewegung auf und erst jetzt merkte sie, dass sie auf einem Pferderücken lag. Das Sonnenlicht, was in ihre Augen gelangt war, verschwand, als sich eine Person über sie beugte. Sie spürte Kälte und ein leichtes Ziehen, als sich eine Hand auf ihre Stirn legte. „Wer sind sie? Und … wo bin ich?“ Verzweifelt kämpfte Sandreel gegen die Müdigkeit an. Der Druck auf ihre Stirn verstärkte sich und sie konnte die Augen nicht mehr offen halten. Ihre Körperanspannung ließ nach und sie verfiel in einen unruhigen Schlaf. Die Person, die sich über sie gebeugt hatte, starrte noch einen Augenblick in ihr Gesicht, bevor sie sich schließlich abwand. Nach kurzer Zeit setzten die unregelmäßigen Bewegungen wieder ein.

„Mama, schau mal was für eine schöne Blume ich gefunden habe!“ „Sandreel, wir haben keine Zeit. Wir müssen los. Jetzt komm doch und lass diese Blume!“ „Nein, Mami, du hast sie dir nicht mal angeguckt.“ „Versteh doch! Es droht Gefahr. Komm jetzt!“ Grob wurde sie am Handgelenk gefasst. „Nein, lass mich.“ Sie wandte sich unter dem Druck, der sich jedoch nur verstärkte. „Bitte, komm jetzt! Wir haben keine Zeit mehr!“ „Aber guck doch …“ Das Zelt in dem sie sich befand stürzte ein und sie wurde durch einen umstürzenden Balken von ihrer Mutter getrennt. „Mami!“ Ängstlich schlug sie um sich, Tränen rannen über ihre Wangen. „Mami …“
„Hallo Kleines! Komm gib mir schon einen Kuss!“ Angewidert stand sie gebückt in einem engen Käfig. „Na los, nicht so schüchtern!“ Der Mann griff ihr grob an den Hintern, als sie sich immer noch weigerte. Sie hatte nur noch Fetzten an, die nicht einmal komplett ihre Scham verdeckten. „Dann muss ich halt näher kommen!“ Der Mann rasselt mit einem Schlüssel und öffnete die Tür. Langsam ging er hinein und kam ihr immer näher …
„Sandreel, pass auf dich auf!“ „Warte! Warum kann ich nicht mit dir kommen?“ Der umgestürzte Wagen lag am Boden und die Leichen blickten sie vorwurfsvoll an. „Das verstehst du nicht.“ „Nein! Lass mich nicht allein …“ Mit Tränen im Gesicht blickte sie ihrer Freundin hinterher …
„Sie ist noch sehr jung.“ „Wie ist sie bloß dahin gekommen?“ „Armes Ding …Wer weiß, was man ihr angetan hat!“ „Seht doch! Sie wacht auf!“ Müde blickte Sandreel in die Augen von vielen Leuten. „Komm mit Kleines. Du musst erstmal etwas essen und trinken! Robert, würdest du bitte eben?“ Sie merkte wie sie hochgehoben wurde und in eine Hütte gebracht wurde. Erschöpft schloss sie die Augen …
„Lass mich in Ruhe, Robert! Ich will nichts von dir! Verschwinde endlich!“ „Aber ich will etwas von dir! Nicht so schüchtern!“ In die Ecke gedrängt riss Sandreel den Dolch, den ihr Gertrud zum Schutz gegeben hatte, aus dem Schaft und hielt ihn abwehrend hoch. „Komm ja nicht näher!“ „Lass doch die Spielchen und leg das Messer weg…“ Vom plötzlichen Schmerz getroffen verstummte er. Er blickte ihr erst fragend in die Augen und dann nach unten. Das Messer steckte genau in seinem Herzen. „Dann brenn doch, du Hexe!“ Anklagend spie Robert diese letzten Worte aus. Mit wehendem Haar war Sandreel jedoch schon längst in der Nacht verschwunden …
„Hexe, Hexe! Verbrennt sie diese Hexe!“ In die Flammen mit ihr!“ „Sie ist schuld an unserem Unglück!“ „Mit dem Teufel im Bund!“ „Elende Hexe …“
…„Du wirst mir noch viel Geld auf dem Sklavenmarkt bringen, Kleine!“…
…„Sandreel, pass auf dich auf! Ich muss weg! Du verstehst nicht.“…
…„Jetzt komm doch und lass diese Blume!“…
…„Du bist schuld an unserem Unglück!“…
…„Verschwinde endlich!“…
…„Ich liebe dich nicht!“…

Schweiß gebadet wachte Sandreel auf. Die Vergangenheit war wie ein böser Traum an ihr vorbeigezogen und sie wollte nur noch vergessen. Still lag sie auf dem Pferd und versuchte mühsam, die Augen offen zuhalten. Am Himmel leuchteten bereits die ersten Sterne und der Mond hing dort, friedlich leuchtend, als verstünde er nicht ihre Probleme.
„Ich werde gleich mit ihr weiterziehen, aber ich möchte einmal noch …“ „Schweig und sei dankbar, dass wir dir diese Aufgabe anvertraut haben! Ich werde der Hohen Priesterin melden, dass du dich widersetzt hast!“ „Ach sei doch nicht so … eine kurzer Berührung. Ach bitte!“ „Na gut, aber beeil dich! Ich pass solange auf … deine Freundin auf!“ Sandreel hörte noch lautes Lachen, als sie hörte, wie sich Schritte entfernten. Komisch … irgendwoher kannte ich diese Stimme, aber mir fällt nicht ein woher! Noch einige Zeit lag sie dort still auf dem Pferd und rührte sich nicht, aus Angst, dass man sie sonst wieder betäuben könnte. Sie war sich jetzt fast sicher, dass dies vor ihrem Schlaf geschehen war. Obwohl sie noch einige Zeit vor sich hin grübelte, fiel ihr der Name partout nicht ein. Schließlich wurde sie vom Schlaf übermannt und ließ sich wieder zurücksinken.

„Dandruil!“ Sofort stürzten Gondar und Kandir nach vorne. Dandruil lag dort einige Manneslängen vor ihnen auf der Straße und um ihn hatte sich bereits eine kleine Blutlache gebildet. Da der Weg an dieser Stelle leicht bergab führte geriet Gondar ins Stolpern und hielt sich an Kandir fest, der jedoch auch gerade noch Halt suchte. Gemeinsam wurden sie zu Boden gerissen und rollten in einer Kugel zu Dandruil. „Kannst du nicht einmal aufpassen?!? Selbst wenn es um Leben und Tod geht, bist du zu nichts zu gebrauchen!“ „Ach ja, aber du, du doller Seraphim! Geh erstma runter von mir! Du konntest dich doch selbst nicht festhalten!“ „Du riskierst ne dicke Lippe, Kleiner! Gib mal besser Acht auf dein schönes Gesicht, wenn du morgen aufwachst könnte es anders aussehen!“ „Leute könntet ihr vielleicht mal kurz …“ Mühsam versuchte sich der am Boden liegende Dandruil Gehör zu verschaffen wurde jedoch sofort unterbrochen. „Schnauze!“ Eintönig kam die Antwort von den beiden Kontrahenten. „Immerhin sehe ich schön aus, im Gegensatz zu dir … du Hässlichkeit von Ancaria!“ „Nimm das zurück, du Ratte, sonst …“ „Sonst was?!“ „Sonst das!“ Mit voller Kraft schlug Kandir Gondar ins Gesicht, sodass man die Nase Knacken hören konnte. „Ich fühle wie ich sterbe ….“ Verzweifelt versuchte Dandruil immer noch auf sich aufmerksam zu machen, während sich seine Gefährten mittlerweile auf dem Boden prügelten. „Hilfe!“ „Dandruil …“ Die Raufenden ließen sofort von einander ab und wandten sich dem Verletzten zu. „Was ist passiert …?“ Erschöpft kamen sie bei ihm zum Stehen und brachen sofort in Erstaunen aus, als sie ihn näher betrachteten. „Aber …. du bist ja gar nicht verletzt! Und woher kommt dann das Blut?“ Kopfschüttelnd setzten sich die beiden neben Dandruil, der immer noch auf dem Boden lag. „Von ihm hier …“, flüsterte er und öffnete seine beiden Hände. Darin lag das kleine Rotkehlchen. Die Pfeilspitze steckte noch in seinem Körper, der Ast war abgebrochen, und seine schillernden Federn waren mit Blut getränkt. Es stieß noch einmal einen letzten hohen Ton aus und blickte sie aufmunternd aus seinen kleinen schwarzen Knopfaugen an, als wollte er sie dazu ermutigen nicht aufzugeben. „Aber wie …?“ Erstaunt schüttelte Gondar den Kopf und wand sich ab. „Er flog gerade vor mir her, als der Pfeil auf mich zu flog. An meiner statt ist er jetzt gestorben!“ Alle drei verstummten einen Moment. Grabesstille senkte sich über den Ort und nur der leise Wind, der über die flache Steppe blies, gab eine gruselige Musik dar.

Der Schnee stob zur Seite, als die Pferde durch kleinere Schneewehen durchbrachen, man konnte jedoch immer noch das typische Klackern vernehmen, wenn Pferdehufe auf Pflastersteine auftreffen. Faulige Bäume, deren Äste schwer mit Schnee behangen waren, standen rechts und links von der Straße, und ein schief in den Boden gerammter Wegweiser zeigte nach Norden. Die Farbe, wenn dies je welche gewesen war, war abgeblättert und die schwarze Schrift verschmiert. Ein dicker Eiszapfen hing an der unteren Kante des Schildes und in ihm spiegelten sich sanfte Lichtbrechungen der Sonne. Wohin reisen wir? … und wieso? Und … Ein Schmerz in ihrer Brust lies Sandreel innerlich verstummen. Behutsam befreite sie ihre Hand aus den Seilen und strich sich sanft über den Bauch. Sie spürte wie sich auf der anderen Seite der Haut etwas regte. Sie hielt einen Moment die Luft an und schloss die Augen. Sie seufzte. In ihren Tagträumen lag sie in den Armen ihres Mannes und alles war wie immer.
„Bleib stehn!“ Harsch fuhr die Priesterin das Pferd an. „Warum …?“, begann Sandreel zu reden doch es verschlug ihr den Atem, als sie das Gebäude vor sich erblickte…

„Ich will eure Trauer ja nicht stören, aber wir sollten uns beeilen und von hier verschwinden!“ Gondar, der sich von den beiden anderen entfernt hatte kam wieder zurück, mit einem Ast in den Händen. „Und wieso? Selbst so ein kleines Lebewesen verdient eine angemessene Trauer. Aber ein solcher Schlächter wie du hat davon natürlich keine Ahnung!“ Gondar zog eine Grimasse, die Dandruil nicht sehen konnte, ging aber weiter nicht auf die Anspielung ein. „Sakkara.“, sagte er tonlos. Zur Unterstrechung seiner Worte hielt er den Ast hoch, der, wie Dandruil jetzt erst erkannte, zu dem Pfeil gehört hatte. An seinem Ende war eine schwarze Feder befestigt. „Dann lasst uns weiterziehen. Wir können heute noch Reckenheim erreichen.“ Mit belegter Stimme hatte Dandruil den Anstoß gegeben. Er grub noch mit einer Hand schnell eine kleine Grube und legte seinen Retter hinein. Ein letztes Mal guckte er in die aufmunternden Augen und verschloss das Grab dann schnell mit einem kleinen Findling. „Kommst du?“ Kandir und Gondar standen bereits und schauten gen Norden. Die Sonne ging gerade wieder auf und die beiden erwärmten sich an den ersten Sonnenstrahlen, die wohlig auf der Haut prickelten. Seufzend stemmte Dandruil sich hoch und schloss zu den beiden auf, die bereits einige Fuß voraus waren.
Den ganzen Tag über marschierten sie stramm und kamen gut voran. Die einzigen Lebewesen, die ihnen begegneten, waren eine Rotte Rehe, die still ihren Weg kreuzten. Als sie sie erblickten, verschwanden sie sofort wieder in den Büschen, aus denen sie erst kurz zuvor herausgetreten waren. Sie unterhielten sich wenig und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Wo bist du Sandreel? Ach, könnt ich doch nur bei dir sein! Er seufzte tief. „Bleib stehn, Dandruil!“ So plötzlich aus seinen Gedanken gerissen blickte er nach vorn und das Blut gefror im in den Adern. Auch der eh schon blasse Kandir hatte seine letzte Farbe verloren und starrte ungläubig nach vorne. Gondar war jedoch äußerst gefasst. „Reckenheim…“
Wenige Fuß vor ihnen schlängelte sich ein sanfter Fluss durch die üppigen Weiden, auf denen wohlig duftende rötliche Blumen wuchsen. Vereinzelten guckten Steine aus dem Gewässer und unterbrachen den dahin preschenden Strom des Wassers. Eine Brücke, die aus dicken Eichenbalken gebaut und anscheinend mit Hanfseilen befestigt worden war, führte über den Bach und kurz hinter der Überquerung passierte die Straße einen Turm, der ein wenig schief stand und eine kreisrundes Metalldach besaß. Auf der anderen Seite der Straße war ein großes Schild auf dem in geschwungenen Worten „Reckenheim“ stand. Doch für all das hatten die drei Gefährten keine Beachtung. Sie sahen nur den Turm. Aus der der oberen Fensterluke ragte ein Holzpfahl, an dem ein Seil baumelte. Schwarze Krähen hackten auf die blanken Knochen eines Gehenkten ein, der dort im Wind baumelte. An seine Füße war ein schwarzes Brett gebunden auf dem in roter Schrift stand: „Meuchelnde Dunkelelfen, bleibt wo ihr seid! Hier erwartet euch nur der Tod!“

Mühsam versuchte Sandreel ihre Gedanken zu koordinieren. „Shaddar-Nur…“, flüsterte sie schließlich …

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